Vor mir findet der eistürkisfarbene Bach seinen Weg an den Felsen und Steinen vorbei, an kleinen Sandbänken entlang fließend, dem Tallauf abwärts folgend. Es ist kaum Strömen zu nennen im Moment, obwohl dieser derzeitige Bach sicherlich auch ein starker Fluss sein kann, etwa im Frühjahr, wenn der Schnee oben in den Bergen schmilzt und ganz andere Wassermassen hier zu Tal stürzen. Oder wenn es im späteren Herbst zwei oder drei Tage am Stück durchregnet, die Wolkendecke festgehangen in den Dreitausendern der Höhen. Jetzt aber fließt das Wasser fast heiter vor mir und springt und sprudelt und wirbelt von Steinstufe zu Fels zu einer Rinne zwischen den Steinbrocken, durch schmale Spalten und breitere Absätze. Es strömt. Sonst nichts. Unaufhaltsam, beständig, um die Steine und Inseln herum, kleine Steinmauern hinab, die Gumpen bilden, in denen ich noch eintauchen werde. Nur kurz, wenn das Wasser so kalt ist wie sein helles Türkis vermuten lässt.
Ich lausche weiter dem Strömen und lasse das Wasser, untertauchend in dem eiskalten Strom, durch mich fließen. Auf der Suche nach Antworten auf all die Fragen, die ich mir stelle, soll es mich befreien von allem Unnützen. Es soll durch mich strömen und alles mit sich nehmen, was ich nicht mehr brauche. Und in seinem Strömen und Fließen und Befreien erhalte ich die eine, die einzige Antwort vom Strom, der sein Sein, sein Wesen, sein Wasser um mich herum spült und an mir vorbei fließen lässt: "Deine Fragen sind so unwesentlich wie die Antworten darauf." Es fließt weiter während ich beginne, leerer zu werden. "Frage nicht mehr" raunt das Wasser mir zu. Mir, die ich mir wie ein lebendes Fragezeichen vorkomme und in jedem Stein, jedem Wort, jedem Mensch, jeder Begegnung, jedem Moment Antworten suche auf all die Fragen, die in mir lodern.
"Verbrenne nicht im Strohfeuer der Fragen" murmelt der Fluss weiter.
"Lebe deine Antwort."